Sich der Elektro-Mobilität annehmen
Wie man in Zukunft den Unterhalt von E-Autos in der eigenen Werkstatt bestreitet und wie man dem Thema Hochvolt mit Respekt, aber ohne Angst begegnet, davon berichten Teilnehmende der autotechnik days in einer spannenden Podiumsdiskussion.
Weil es in Europa im Bereich der praxisgerechten Hochvolt-Reparaturen für sie zu wenig Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten nach ihrem Gusto gab, haben Markus Roth und Bernward Limacher von Autef über den grossen Teich geschaut. In Nordamerika seien schon viel mehr und ältere E-Autos unterwegs und durch das dortige Recht auf freie Reparatur landeten sie auch viel häufiger in freien Werkstatten.
Die beiden Autef-Experten, die hierzulande auch den Kurs «Hochvolt entspannt» anbieten, reisten daher zum zweiten Mal mit einer Gruppe interessierter Garagisten nach Montréal. Moderator Beat Jenny unterhielt sich auf dem Podium der autotechnik days mit Valentin Lampart, Automobil-Diagnostiker von Ford Sursee, Markus Roth, Automobildiagnostiker und Elektro-Experte von Autef, sowie Philipp Näf, Abteilungsleiter Aftersales bei hostettler autotechnik, über die Erfahrungen während dieses speziellen Hochvoltkurses in Kanada.
Aus- und Weiterbildung mit mehr Praxisbezug
«In Kanada unterrichtet man nicht weniger als 650 Stunden Hochvolttechnik. Die haben viel mehr Erfahrung im Reparieren von reinen E-Autos und auch damit, was man danach mit Pass-Thru-Arbeiten alles machen kann», verrät Markus Roth den Grund für die zweite Reise. Und diese sei bei den Teilnehmenden erneut sehr gut angekommen. «Ich habe gerade den Diagnostiker abgeschlossen und sehr viel Theorie mitgekriegt, aber mir fehlte in der Ausbildung schlicht oft der Praxisbezug», so Valentin Lampart von Ford Sursee, «den gabs in Kanada!»
Arbeiten mit Herzblut und viel Effizienz
Dem stimmt auch Philipp Näf von hostettler zu: «Meine Erwartungen an den Kurs waren sehr hoch, weil wir sehr gutes Feedback vom ersten Kurs hatten. Bei einem Autef-Kurs weiss man zudem: Es ist sehr praxislastig. Und daher habe ich mich sehr auf die Woche in Kanada gefreut und wurde auch nicht enttäuscht!» Beim Kurs stand nicht einfach Teiletauschen, sondern Löten und Reparieren im Vordergrund – denn in Übersee wird selbst an Teilen von E-Autos gearbeitet, die aus rechtlichen Gründen und hier gar nicht angefasst werden dürfen.
Markus Roth machte zudem auf den Unterschied der Anstellung als Mechaniker in Kanada und hierzulande aufmerksam. In Kanada sei man als «Ich AG» im Unternehmen tätig und daher von sich aus viele interessierter an, effizient und schnell zu arbeiten, weil sich dadurch der Verdienst verbessere. «Und es gibt in Kanada viele Leute, die mit Herzblut ihr Wissen weitergeben», ergänzt Näf. «Wir konnten Spannungen nivellieren, Module auswechseln, Kühlmittelverlust bei Batterien beheben – es war sehr interessant», konstatiert Valentin Lampart. «Manchmal ist eine Reparatur auch komplexer als bei einem herkömmlichen Verbrenner. Die meisten E-Autos, die in der Schweiz in die Werkstatt kommen, haben vielleicht Softwareprobleme, aber mit der Zeit kommen zum Beispiel rostende Stecker dazu. Da sind die Kanadier uns ein paar Jahre voraus.»
Erstaunlich wenig Spezialwerkzeug nötig
Ein Tag war beim Hochvoltkurs in Kanada komplett für Tesla reserviert. Und Markus Roth geht davon aus, dass bald auch mehr Tesla-Modelle hierzulande bei freien Werkstätten landen: «Die Chancen sind sehr gut dafür, und diese Chance müssen wir packen. Die Software bei Tesla ist gut, aber der Rest ist Standardware, und die müssen wir reparieren können.» Der Autef-Experte wies zudem auf die komplett andere Art der Diagnose bei Tesla hin, die viel einfacher und über das Fahrzeugdisplay selbst und nicht etwa spezielle, teure Diagnosegeräte erfolge. «Dafür ist das Beschaffen von Ersatzteilen klar schwieriger», hält Roth jedoch auch fest. Vor allem Aufhängungsarbeiten und Arbeiten an Bremsen seien bei Teslas häufig. «Die Kanadier haben einen anderen, einfacheren Zugang bezüglich Teilen, Unterlagen und Daten. Mit wenigen Klicks kommt man so auch ohne Diagnosezugang zu den richtigen Unterlagen», erinnert sich Näf.
Für Markus Roth ist es wichtig, dass es in der Schweiz und Europa zu einem Wechsel beim Mindset bezüglich E-Mobilität kommt. «Man muss auch E-Autos jährlich warten und nicht einfach ewig fahren. Wechselt man das Öl eines Differenzials, ist das nach zwei Jahren schon schwarz; Thermomanagement ist ebenfalls wichtig, denn wenn der Kompressor kaputt geht, wird es teuer!» Auch Bremsen müssten öfters kontrolliert werden. «Sonst hat man einfach nach sechs bis acht Jahren nur noch Schrott auf den Strassen. Kümmert man sich um die E-Autos, halten sie länger und dann sind sie wirklich grün unterwegs», so Roth. Und abschliessend ergänzte Valentin Lampart und bracht alles damit auf den Punkt: «Niemand sollte Angst haben, an E-Autos zu arbeiten. Man sollte offen sein, Schulungen machen und sich dem Thema Elektromobilität annehmen.»